E-Commerce
„Watch. Click. Buy.“ Amazon macht ernst mit der Streaming-Commerce-Verschmelzung

„Watch. Click. Buy.“ Amazon macht ernst mit der Streaming-Commerce-Verschmelzung

Larissa Ceccio | 13.05.25

Streaming Player Amazon erweitert Prime Video um interaktive Werbeformate, darunter sogenannte Shoppable Ads. Diese ermöglichen es Zuschauer:innen, Produkte direkt während des Streamings zu kaufen, ohne die Wiedergabe zu unterbrechen.

Es war ein Umbruch, der 2024 viele Nutzer:innen kalt erwischt hat: Prime Video zeigte plötzlich Werbung – auch im Abo. Wer keine Spots sehen wollte, musste extra zahlen – ein Modell, das zuvor undenkbar schien. Das sorgte für viele Diskussionen – von Ärger und Unverständnis bis hin zur Entscheidung, das Abo zu kündigen. Jetzt wird genau dieses System weiter ausgerollt, ab dem 17. Juni 2025 auch in Indien. Betroffene Prime-Mitglieder wurden per E-Mail informiert: Serien und Filme enthalten ab diesem Zeitpunkt automatisch Werbung – außer man zahlt rund 129 Rupien im Monat oder 699 Rupien im Jahr zusätzlich. Der Tech-Influencer Ashok Mor brachte die Reaktion vieler Nutzer:innen auf X sarkastisch auf den Punkt.

In Deutschland, den USA, dem Vereinigten Königreich und Kanada wurde das Modell Anfang 2024 eingeführt, wobei Nutzer:innen für eine werbefreie Nutzung zusätzlich 2,99 € pro Monat zahlen müssen. Was erneut für Unverständnis sorgt, markiert für Amazon einen strategischen Meilenstein. Denn während andere Plattformen noch mit Werbestrategien experimentieren, hat der Konzern die technische Infrastruktur längst geschaffen – und nutzt sie gezielt zur Monetarisierung.


Aufreger Ads in Amazon Prime Video:
Es lohnt sich

Prime Video auf Bildschirm
© Thibault Penin – Unsplash


Wie The Hollywood Reporter berichtet, erreicht die werbegestützte Version von Prime Video mittlerweile über 130 Millionen Nutzer:innen in den USA – ein Zuwachs von rund 15 Millionen innerhalb eines Jahres. Diese enorme Reichweite, gepaart mit der engen Verzahnung von Streaming, Shopping und neuer Werbetechnologie, verschafft Amazon eine Sonderstellung im Streaming-Markt. Auf der diesjährigen Upfronts, die am 12. Mai stattfand, zeigte der Konzern die neuesten Ad-Tech-Innovationen – und die könnten die Art, wie wir Werbung erleben, grundlegend verändern.

Von Zuschauer:innen zu Käufer:innen: Prime Video wird zum Shopping Hub

Die Stärke von Amazon liegt nicht allein in der Konzerngröße, sondern in der eigenen Plattformlogik. Laut Konzernangaben haben 88 Prozent der Prime-Video-Zuschauer:innen auch schon auf Amazon eingekauft. Für Werbetreibende bedeutet das: Sie erreichen nicht nur potenzielle Zielgruppen, sondern aktive Kund:innen mit konkretem Kaufverhalten.

Diese Brücke zwischen Unterhaltung und Commerce wird nun noch verstärkt: Mit neuen interaktiven Werbeformaten lassen sich Produkte künftig direkt aus dem Stream heraus kaufen. Dazu zählen sogenannte Shoppable Ads, die in Echtzeit Preis, Bewertungen und Prime-Versandoptionen anzeigen – inklusive Kaufoption, ohne den Content verlassen zu müssen. Damit wird Prime Video zur E-Commerce-Schnittstelle im Wohnzimmer.

Ad Tech trifft KI: Scene-aware, kontextuell, effektiv

Besonders spannend sind die neuen KI-basierten Lösungen, die Amazon auf der diesjährigen Upfront angekündigt hat. Sie sollen den Werbeinhalten noch stärker den Anschein von Content geben. Statt klassischer Spots setzt Amazon auf „contextual ad messaging“, bei dem relevante Werbebotschaften automatisch aus dem Umfeld der gerade gesehenen Szene generiert werden – fast wie ein intelligentes Product Placement auf Knopfdruck. Alan Moss, Vice President Global Ads Sales bei Amazon Ads, betont:

Our ad formats are proven to drive measurable action on and off Amazon.

Die neuen Formate sollen dabei nicht nur auf der eigenen Plattform konvertieren, sondern auch externe Aktionen auslösen – etwa durch CTAs wie „Jetzt abonnieren“ oder „Termin vereinbaren“, deren Informationen direkt auf das Smartphone der Zuschauer:innen geschickt werden.

Werbung, die sich einfügt – und dabei verkauft

Amazon präsentiert die neuen Werbeformate nicht als klassische Unterbrechung, sondern als integralen Bestandteil des Seherlebnisses. Mithilfe Künstlicher Intelligenz werden Anzeigen so gestaltet, dass sie sich nahtlos an das laufende Programm anpassen – visuell, inhaltlich und emotional. Das Ziel: Werbung, die nicht stört, sondern konvertiert. Für Abonnent:innen des Streaming-Dienstes dürfte dennoch das Plus an Werbebotschaften im Entertainment-Kontext zunächst als Störfaktor gelten.

Mit dieser Strategie hebt Amazon die klassische Trennung zwischen Entertainment und Commerce auf. Prime Video wird zur Plattform, auf der Marken nicht nur sichtbar, sondern direkt erlebbar und kaufbar werden. Shoppable Ads, automatisierte Kontextbotschaften und interaktive Calls-to-Action schaffen ein System, das auf Relevanz und Reaktion ausgerichtet ist – in Echtzeit und mit direkter Verbindung zum Amazon-Kosmos.

Dass diese Entwicklung kein Nebenprodukt, sondern Teil eines langfristigen Plans ist, zeigt sich beim Blick zurück: In unserem Artikel aus dem Oktober 2024 wir analysiert, wie Amazon Schritt für Schritt den Weg zum werbefinanzierten Streaming vorbereitet hat.


Noch mehr Werbung auf Prime Video:
Amazon erntet Kritik von Verbraucherzentrale

LKW mit Amazon Prime Schriftzug
© Amazon


Trotz Kritik bleibt der Kurs klar: Werbung soll nicht mehr neben dem Content stehen – sie soll Teil davon sein.

Prime Video wird zum Commerce Hub

Amazon positioniert Prime Video längst nicht mehr als reinen Unterhaltungsdienst. Die Plattform wird zur Schnittstelle zwischen Content, Commerce und datengestützter Werbetechnologie. Mit einem adressierbaren Publikum von über 130 Millionen Menschen allein in den USA und Werbeformaten, die in Echtzeit zum Handeln motivieren, schafft Amazon ein System, das nicht nur Reichweite, sondern unmittelbare Wirkung verspricht – das aber auch die Nerven der Zuschauer:innen mehr und mehr strapazieren könnte..

Für Unternehmen, die ihre Produkte bewerben wollen, ist klar: Prime Video ist längst mehr als nur ein Streaming-Dienst. Die Plattform funktioniert wie ein digitaler Marktplatz – während des Serienabends. Markenbotschaften treffen hier direkt auf kaufbereite Zuschauer:innen und machen den Weg vom Spot zum Kauf so kurz wie noch nie.

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