Human Resources
Wer darf kommen – und zu welchem Preis? Die Blue Card im EU-Vergleich

Wer darf kommen – und zu welchem Preis? Die Blue Card im EU-Vergleich

Marié Detlefsen | 26.05.25

Welche Länder in der EU machen es Fachkräften aus Drittstaaten besonders leicht – und wo liegt die Gehaltshürde besonders hoch? Eine neue Studie zeigt: Die Anforderungen für die Blue Card könnten unterschiedlicher kaum sein.

In einer Zeit, in der qualifizierte Fachkräfte auf dem europäischen Arbeitsmarkt heiß begehrt sind, nimmt ein Instrument der EU eine Schlüsselrolle ein: die Blue Card. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Aufenthaltstitel – und wie stark unterscheiden sich die Anforderungen an Bewerber:innen je nach Zielland?

Was ist die Blue Card EU?

Die Blue Card EU ist ein Aufenthaltstitel, der hoch qualifizierten Arbeitskräften aus Drittstaaten den Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt erleichtern soll. Sie wurde im Jahr 2009 eingeführt, um gezielt dem Fachkräftemangel in Europa entgegenzuwirken und den Kontinent als attraktiven Zielort für qualifizierte Zuwanderung zu etablieren. Bewerber:innen benötigen dafür neben einem anerkannten Hochschulabschluss in der Regel auch einen gültigen Arbeitsvertrag mit einem bestimmten Mindestjahreseinkommen – wobei diese Einkommensgrenze von jedem EU-Land selbst festgelegt wird.

Die Blue Card bietet zahlreiche Vorteile: Sie erlaubt nicht nur eine schnellere Arbeitsaufnahme und erleichterte Familiennachzüge, sondern eröffnet auch langfristige Perspektiven in Form von Daueraufenthaltsrechten. Für Unternehmen in der EU ist sie zudem ein flexibles Instrument zur Gewinnung dringend benötigter Fachkräfte, insbesondere in Bereichen wie IT, Ingenieurwesen oder Medizin.

Bulgarien mit der niedrigsten Grenze für den Besitz einer Blue Card

Eine aktuelle Untersuchung der Gisma University of Applied Sciences hat die Entwicklungen sowie die Einkommensgrenzen für die Blue Card in den einzelnen EU-Ländern analysiert. Dabei zeigte sich, wie stark die Mindesteinkommensgrenzen in den verschiedenen Mitgliedstaaten auseinanderklaffen und wie dynamisch sich diese Anforderungen in den letzten Monaten verändert haben.

Auffällig ist vor allem: Kein anderes Land hat die Hürde für Bewerber:innen so drastisch gesenkt wie Bulgarien. Dort wurde die Einkommensgrenze von vormals 21.132 Euro auf gerade einmal 9.933 Euro pro Jahr herabgesetzt – ein Rückgang von über 100 Prozent. Damit nimmt Bulgarien nicht nur den letzten Platz im EU-weiten Vergleich ein, sondern signalisiert zugleich einen klaren wirtschaftspolitischen Kurs: mehr Offenheit für ausländische Fachkräfte durch niedrigere Eintrittsbarrieren.


Die Mindesteinkommensgrenzen für die Blue Card in den verschiedenen Mitgliedstaaten (Grafik erstellt mithilfe von ChatGPT, Daten von der Gisma University of Applied Sciences)
Die Mindesteinkommensgrenzen für die Blue Card in den verschiedenen Mitgliedstaaten (Grafik erstellt mithilfe von ChatGPT, Daten von der Gisma University of Applied Sciences, mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht)

Am anderen Ende des Spektrums befindet sich Belgien, das mit einem geforderten Mindesteinkommen von 66.377 Euro pro Jahr den höchsten Wert in der gesamten EU vorgibt. Auch innerhalb Belgiens existieren regionale Unterschiede – so verlangt Flandern mit 63.586 Euro die zweithöchste Einkommensgrenze. Dahinter folgen Frankreich (59.700 Euro), Luxemburg (58.968 Euro) und Schweden (51.997 Euro).


Blue Collar Recruiting:

Personaler:innen schätzen Bedürfnisse falsch ein

Blue Collar Recruiting: Personaler:innen schätzen Bedürfnisse falsch ein.
© Elevate | Unsplash


Deutschland liegt mit einer geforderten Einkommenshöhe von 46.500 Euro brutto im Jahr im soliden Mittelfeld. Zwar ist diese Hürde vergleichsweise moderat, jedoch stellt sich angesichts der rasanten Entwicklungen in anderen Mitgliedstaaten die Frage, ob dies auch künftig ausreichend sein wird, um im globalen Wettbewerb um kluge Köpfe nicht ins Hintertreffen zu geraten. Immerhin suchen in Deutschland etwa 93 Prozent aller Unternehmen Blue-Collar-Kräfte.

Während Länder wie Bulgarien, Rumänien (20.782 Euro) oder Portugal (21.030 Euro) deutlich niedrigere Gehaltsanforderungen haben, versuchen sie damit gezielt, attraktiver für Drittstaatsangehörige zu werden. Portugal sticht dabei gleich doppelt hervor: Zwar liegt es mit seinem Mindesteinkommen im unteren Drittel, zugleich hat es dieses im Vergleich zum Vorjahr um 24 Prozent angehoben – der höchste Anstieg innerhalb der EU. Auch Italien (+19 Prozent) und Kroatien (+17 Prozent) haben ihre Anforderungen deutlich erhöht.

Einheitliche Blue Card, aber unterschiedliche Rahmenbedingungen

Gegenläufige Entwicklungen sind ebenfalls zu beobachten: Neben Bulgarien haben auch Rumänien (-94 Prozent) und die Niederlande (-78 Prozent) ihre Gehaltsgrenzen spürbar gesenkt. Diese gegenläufigen Tendenzen zeigen: Die europäische Migrationspolitik driftet zunehmend auseinander. Während einige Staaten aktiv um internationale Talente werben, setzen andere weiterhin auf relativ hohe Einkommenshürden – mutmaßlich, um die Qualität der Bewerber:innen zu sichern oder das Lohnniveau stabil zu halten. Prof. Dr. Ramon O’Callaghan, Präsident der Gisma University of Applied Sciences, bringt es auf den Punkt:

Die starken Schwankungen bei den Mindesteinkommensanforderungen für die Blue Card spiegeln die unterschiedlichen wirtschaftlichen Realitäten und Strategien der EU-Länder wider. Während einige Staaten durch die Senkung der Anforderungen aktiv versuchen, mehr Fachkräfte anzuziehen, setzen andere auf hohe Schwellenwerte, um bestimmte Qualifikationsniveaus sicherzustellen. Die Herausforderung besteht darin, die Balance zwischen Attraktivität für ausländische Talente und den Anforderungen des heimischen Arbeitsmarktes zu finden.

Die Blue Card EU ist ein mächtiges Werkzeug zur Steuerung qualifizierter Zuwanderung – doch ihre Anwendung variiert stark von Land zu Land. Was als einheitlicher Aufenthaltstitel erscheint, ist in der Praxis ein Flickenteppich an Anforderungen und Strategien. Die Gisma-Studie verdeutlicht: Wer Europa als Arbeitsstandort attraktiv machen will, muss nicht nur gute Rahmenbedingungen bieten, sondern auch für transparente und nachvollziehbare Standards sorgen.

Durch die zunehmende Digitalisierung und Globalisierung werden außerdem immer häufiger internationale Teams etabliert. Diese Teams, die über verschiedene Standorte und Zeitzonen verteilt sind, stellen sowohl für Arbeitgeber:innen als auch für Arbeitnehmer:innen eine Reihe von Herausforderungen und Chancen dar, bei denen Arbeitgeber:innen ebenfalls gute Bedingungen etablieren müssen. Mehr dazu findest du hier:


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